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Die großen Gletscher der Alpen bedecken weite Gebiete - die Eiszeit lässt Europa im Winterschlaf erstarren. Gletscher treiben auf ihrem Weg in die Ebenen eine unvorstellbare Menge Geröll vor sich her und zermahlen es zu feinstem Sand. Der Rheingletscher, einer der mächtigsten der riesigen Eisbänder, häuft mit seiner ungebändigten Kraft die Fundamente der Reichenau auf. Gerade so weit, dass die Spitze der Schotterhalde aus dem Wasser des heutigen Gnadensees herausragen kann und man bei guter Sicht die Gipfel der Zwei- oder Dreitausender sieht, auf deren Schutt der heilige Bischof Pirmin 724 sein Benediktinerkloster gründete. |
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Die Ankunft Pirmins muss auf der Insel einen wahren Schrecken ausgelöst haben wie die Legende berichtet. Im Münster zeugt ein Gemälde davon - als Pirmin sich mit dem Boot der größten Insel des Bodensees nähert, verlässt sämtliches übles Getier und Gewürm fluchtartig die bis dahin undurchdringliche Wildnis. |
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Es beginnt die Geschichte des Klosters, dessen Äbte während seiner Blütezeit als Räte und Beamte, als Prinzenerzieher, ja sogar als Diplomaten und Gesandtschaftsreisende der Kaiser fungierten. Die Insel als religiöses und kulturelles Zentrum Europas - unter Kaiser Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen, Herrscher des mächtigen Frankenreiches, das sich vom Nordmeer bis zum Mittelmeer und vom Atlantik bis nach Osteuropa ausbreitete, erlebte die Reichenau ihr goldenes Zeitalter. |
Ein Kloster von solcher Bedeutung - zeitweilig gehörten ihm bis zu 130 Mönche an - hatte naturgemäß einen beachtlichen Bedarf an Wein. Es verwundert deshalb keineswegs, dass große Flächen der Insel zunächst einmal dem Weinbau vorbehalten blieben. Gemüse wurde damals allenfalls in den Gärten der Häuser angepflanzt. Zwischen den Rebflächen fanden sich hier und da einige Weiden und Ackerflächen, auf denen hauptsächlich Getreide angebaut wurde. |
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Im letzten Jahrhundert vollzieht sich der Wandel zum Gemüsebau auf der Reichenau. 1928 wird das erste Gewächshaus errichtet. Es ist heute immer noch in Betrieb und steht für die intensive Gewinnung von Frühgemüse. Doch schon im Jahrhundert zuvor wurde zunehmend Gemüse anstelle der Weinreben angebaut. Die Konkurrenz im Weingeschäft war groß und gut ? besonders nach der Fertigstellung der Eisenbahnlinie vom Elsass nach Konstanz im Jahre 1863 war die Auswahl an ausgezeichneten Weinen enorm. Die Bauern klagten über kranke Rebstöcke, zurückgehende Erträge und den schlechten Marktpreis. Als die Weinernte 1929 dann auch noch auf Grund eines eisigen Winters komplett ausfiel, setzten sich der Gemüsebau endgültig durch. Nun waren mehrere Ernten pro Jahr möglich, der Erlös der harten Arbeit war sogar größer als in den vergangenen Jahren des Weinanbaus.
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